Hallo Ihr Lieben,

Raiatea, die Werft und TRUANT haben uns wieder. Wir klotzen ran, damit TRUANT wieder ins Wasser kommt. Es ist soweit, nach dem Kranen noch ein paar Tage in der Marina am Steg und das Schiff ist dicht, kein Wasser dringt ein. Der naechste Sprung ist raus an die Mooringboje. Dort warten wir auf guten Wind, den wir  fuer die kurze Ueberfahrt nach Bora Bora auch bald bekommen. Unser erster wunderschoener Segeltag.

Bora Bora soll nur eine kurze Stippvisite werden. Man muss ja mal auf der Schickimicki-Insel gewesen sein. Aber, es kommt immer alles anders, als man denkt. Statt 2 Tage bleiben wir 2 Wochen dort. Totale Flaute! Nichts tut sich. Die Insel wird abgeradelt (32 km rundum), bei Wanderungen das Inland erkundet und verschiedene Ankerplaetze abgegrast. Am Riffankerplatz baden wir mit Rochen und kleinen Schwarzspitzenhaien. Die Korallenwelt ist am absterben. Wo Tourismus ist, geht vieles in die Knie. Bora Bora ist eine an sich landschaftlich sehr schoene Insel. Die Urlauber halten sich in Ressorts auf. Man sieht sie kaum auf den Strassen, ausser auf den Speedbooten im Riff. Natuerlich liegen wir auch ein paar Tage an der Mooring direkt vor dem legendaeren Restaurant BLOODY MARY, wo viele Stars verkehrten. 

Heute nun endlich ein Windhauch. Wir machen uns auf die Socken. Ziel ist Suwarrow, eine der Noerdlichen Cook-Inseln. Aber wieder mal machen wir die Rechnung ohne den Wirt. Der Wind will einfach nicht und wir drehen nach 2 Tagen Duempelei ab in ein kleines Atoll namens Maupihaa mit der laut Segelguide engsten und nervigsten Einfahrt im Pazifik. Das Wetter ist so ruhig, dass
es problemlos geht. Ich starre beim Fahren durch die Passage nur auf den Kompass und folge Ulis Kommandos. Nur einmal riskiere ich einen kleinen Blick seitwaerts. 2 m neben dem Schiff schimmert ein paar handbreit unter Wasser die scharfe Korallenkante. Meine Haende sind mal wieder feucht und es geht mit Volldampf Strich 129 Grad rein. Im Atoll geht's vorsichtig um die Korallenkoepfe herum, der Anker faellt, ich bin alle! Schoen ist es hier, traumhaft schoen.  Wir schauen uns eine Woche um. Ein Motu ist nur mit Seevoegeln bevoelkert, wo die Jungen gerade schluepfen. Auf der etwas groesseren Hauptinsel wohnt eine 11-koepfige Familie mit einem Hund und 41 Schweinen. Noch nicht ganz geankert, kommen sie gleich zur Begruessung vorbei und kleine
Geschenke werden ausgetauscht. Gestern wanderte dann promt das 41. Schwein in den Topf. War lecker so ein Spanferkel. Eigentlich war der "Chef" der Insel den ganzen Tag vorher unterwegs, um eine Schildkroete zu harpunieren und uns dann zum Essen einzuladen. Davon haette ich nichts
essen koennen und obwohl es verboten ist, toeten die Einheimischen diese unter Naturschutz stehenden Tiere immer noch, wenn auch nur zum eigenen Verzehr.
Tagsueber machen wir lange Spaziergaenge am Strand und am Aussenriff. Es gibt hier sehr viele Riffhaie, die voller Neugier aber aengstlich sind. Sieht schoen aus, wie sie durch's Wasser gleiten oder ganz schnell hinter Beute her jagen. Ich kann mich daran nicht satt sehen. Mein Blick haengt hier sowieso nur am Boden. Ausbeute: 148 lila Muscheln. Vor diesem Atoll im aeussersten Westen Franzoesisch Polynesiens, das frueher Mopelia hiess, hat Graf Luckner 1917 sein beruechtigtes Karperschiff  SEEADLER versehentlich aufs Riff gesetzt und versenkt. Die ganze Besatzung (ca. 130 Leute) wurde durch eine englische Brigg gerettet und gefangen genommen. Die Schatzkiste, die sich an Bord befand, ist bis heute nicht gefunden worden. Ich stehe im Wasser und schaue und schaue und fummel am Boden rum. Irgendwann finde ich die  Goldtaler!!

Am Dienstag, den 3. Juni 2008 bekommen wir den richtigen Wind und wollen raus aus Maupihaa. Ade du schoenes Atoll und Franzoesisch Polynesien. Mit schlotternden Knien machen wir uns wieder bereit fuer die Riffpassage. Mit 6 Knoten Schiebestrom (plus eigener Fahrt) rauschen wir nur so durch den schrecklich engen Pass in die Eddys am Ausgang. Bis weit hinaus reichen diese Verwirbelungen. Der Wind ist gut, wir setzen die Segel,  nur die Wellen gefallen uns nicht. Kreuzsee! Wird ja wohl bald aufhoeren, denn der Wetterbericht hat Windstaerke 5 Bft und Wellen 2.80 m ruecklaeufig gemeldet. Gottseidank habe ich einen Topf Bohnensuppe vorgekocht! Im Laufe des Tages rollen die Wellen aber staerker und ich esse mal wieder rueckwaerts. Uli gehoert der ganze Topf Bohnensuppe, ich wandere mit gruener Nase in die Koje. 

Den Kurs 320 Grad Richtung Suwarrow (Cookinsel) muessen wir nach 4 Tagen aufgeben, weil der zunehmende Wind dreht und peilen jetzt Kurs 240 Grad Richtung Niue kurz vor Tonga an. Das Wetter verschlechtert sich zunehmend. Mittlerweile haben wir Windstaerke 7 Bft und die Welle, immer noch Kreuzsee inklusive Pazifikduenung, steigt auf 4m an. Im Boot fliegt alles hin und her. Meine Koje ist voller Papiere und Buecher aus den Regalen. Ich lege mich oben drauf, aber von schlafen kann keine Rede sein. Saemtliche Muskeln sind verspannt. Wir versuchen uns so gut wie moeglich bei der Wache abzuwechseln. Mir ist immer noch nicht ganz wohl im Magen. Uli macht fast die ganze Arbeit draussen allein. An Essen kochen ist nicht zu denken, also gibt es Zwieback, Pudding aus der Dose und Dosenwurst. Um zur Toilette zu kommen, fliegen wir im Zick-Zack durch's Boot, gelegentlich mit harter Landung.  Sehr anstrengend. Nur der kleine Fisch Elvira, ein Geschenk von Rene und Karin zum Abschied aus Willihaven, hopst lustig an einer Drahtspirale und  bringt uns noch zum lachen. Ganz aufgeregt vibrieren seine Flossen und er versucht immer mit einer Steckdose zu flirten. Das ist unser "Fernsehprogramm".

Jetzt sind 6 Tage und lange Naechte vergangen und wir sind bereit, dem naechsten den wir treffen
unser Schiff zu verkaufen. Aber es kommt noch dicker. Der Windgenerator kreischt wie verrueckt, die Sturmglocke UK 921.1 bimmelt staendig und die Wellenberge haben die majestaetische Hoehe von 6m, wenn nicht hoeher, erreicht. Zum Glueck vermehrt aus einer einzigen Richtung. Der Wind kommt mit 8 Bft, in Boeen 9 Bft. Ab 10 Bft ist Orkan! Wir muessen alles dicht machen - die Brecher gehen gelegentlich uebers Salondach oder geben uns kraeftige seitliche Backpfeifen. Alle Segel, ausser das handtuchgross gereffte Vorsegel, sind unten. Das Bergen des Gross- und Besansegels war eine akrobatische Nummer. Trotzdem fahren wir immer noch 7 Knoten. Die Luftfeuchtigkeit drinnen im verrammelten Salon steigt. Nachts meinen wir Orca-Rambos an unserem Schiff hin und her zischen zu hoeren, die Wasser abblasen. Die ganze Szenerie ist so unwirklich. Schlaf bekommen wir keinen mehr, Essen auch kaum. Uli muss Ausschau halten. Ich mag nicht mehr raus, weil ich mich im Cockpit nicht mehr sicher fuehle. Aus ist es mit der Rundumschau alle 20 Minuten. Fuer kurze Zeit schlafen wir im Sitzen oder halb liegend ein. Wer soll uns aber auch entgegen kommen? Bei der See rollt hoechstens noch einer den Sturm hinter uns ab. Einem Frachter aus Flensburg sind wir zuvor, als es noch etwas ruhiger war, begegnet. Der Kapitaen hatte uns nachts um 2 Uhr mit einem zaertlichen "Helloho, good morning" auf Kanal 16 geweckt.  War eine nette Unterhaltung und Abwechslung.

Aber jetzt sehen wir vor lauter Wellenbergen und Gischt nicht weit und wir hoffen, dass endlich der Sturm vorbei geht und Niue nach ueber 1000 nm endlich in Sicht kommt. Wir funktionieren nur noch mechanisch und Uli sagt mir heute morgen, 12.6.2008, ca. 8 Uhr, Land in Sicht!!! Ich mag nicht rausschauen. Immer noch haben wir Boen von 8 bis 9 Bft am Kap. Und dann schaue ich doch raus und bin hingerissen von einem wunderschoenen regenbogenumspannten Korallenfelsen: Niue!  Wir sind da, machdem wir dem Teufel ein Ohr abgeritten haben! Sieht gar nicht nach Suedsee sondern eher nach Helgoland in gruen statt rot aus. In der Bucht haben wir immer noch Windstaerke 7 Bft, aber die Wellen legen sich auf der Leeseite der Insel schnell. Vor dem Hauptdorf Alofi picken wir eine Mooring-Boje auf, melden uns per Funk beim Zoll und sind fix und fertig. Aber noch ist nichts mit Koje. Nun muss das Beiboot runter und wir noch rueber zum Einklarieren. Die faulen Zollsaecke wollen bei dem Wetter nicht zu uns an Bord kommen. Nicht so einfach, denn das Dinghi muss wegen des Schwells am winzigen Anleger mit einem Kran rausgehievt werden. Wie funktioniert das? Niemand ist bei dem Sauwetter an der Mole. Uli flitzt ins Dorf, ich stehe noch schaukelnd vom Seegang am Anleger und halte das am Kran haengende Beiboot, bis uns irgendwann jemand zeigt, welches der richtige Kranhebel ist. Zoll dauert wieder seine Zeit, unsere Beine knicken fast ein, eine Sitzgelegenheit gibt es nicht. Dann zur Einwanderungsbehoerde und zur Polizei. Auf dem Weg dorthin laufen wir an einer Baeckerei vorbei und fragen, ob sie US-Dollar nehmen. Wir haben solch einen Hunger! Sie nehmen nur ihre Waehrung, den Neuseeland-Dollar, aber wir duerfen uns nehmen, was wir moechten. Sie schreibt es fuer uns an. Traumhaft! Nach den Formalitaeten geht es in den Yachtclub wegen der Mooring-Boje. Uns schwankt noch der Boden unter den Fuessen. Wir haben das letzte Mal vor ueber 30 Stunden etwas gegessen. Auch im Club koennen wir anschreiben und bekommen nach Tagen unser erstes warmes Essen.  Koestlich, ein Genuss! Ein paar lustig englische Segler, die hier schon seit einer Woche festsitzen, spendieren uns "Helden" zwei Lagen Bier......und dann sind wir endgueltig fertig! Kranen, rauf auf TRUANT und schlafen, schlafen, schlafen. 

Nach 12 Stunden komatioesem Tiefschlaf sind wir wieder bei uns und lecken unsere Wunden. Der Ritt ist vorbei und es ist wie nach einer Geburt. Man vergisst ganz schnell, nur der Koerper schmerzt noch von der Anstrengung. Wir haben gelernt, dass die Suedsee nicht nur lieblich und traumhaft ist, nein, sie kann auch albtraumhaft sein. Aber die Menschen hier sind einzigartig und das wiegt jede Anstrengung auf.

Verkaufen wollen wir auch nicht mehr!!!!!

Mein Skipper ueberlegt schon die neue Route, ob er seinen Geburtstag zweimal feiern oder diesen ausfallen lassen soll. Wir sind nur noch ein paar Meilen von der Datumsgenze entfernt.

Bis zum naechsten Mal - Tschuess!