Liebe Freunde,

wir sind einen Insel-Archipel weiter und hier in Tanna/Vanuatu ist es sehr spannend. Nach 36 Stunden Flaute und dann wie ueblich Wind mit 25 Knoten und einer verquerten Welle kommen wir in der Bucht Port Resolution  auf Tanna an. Weisse und schwarze Straenden und Dschungel bis runter ans Ufer, sonst nichts. Der Vulkan Yasur mit seinen dicken Rauchschwaden ist 4 km Luftlinie entfernt von unserem Ankerplatz; wir koennen ihn nicht direkt sehen, haben aber am Morgen liegt Asche an Deck. Ein paar Meter hinter uns qualmen Erdspalten und heisse Quellen.  Der erste Landgang in ein verstecktes kleines Dorf mit Schule ohne Strom und Strassen haut mich foermlich um. Es sieht aus wie in der Steinzeit. Darauf sind wir nicht vorbereitet und entsprechend waechst unsere Neugier. Die Eingeborenen wohnen in kleinen Strohhuetten, eine zum schlafen und eine zum kochen. Die Huetten der Grossfamilien sind rund um einen Dorfplatz angeordnet. Es ist morgens und Opa, Oma, Kinder und Enkel hocken unter den Baeumen zusammen und lassen es sich beim Schwaetzchen und Lausen gut gehen. Wir suchen Ron, den Haeuptling, um unser Kava und Cornedbeef zu uebergeben. Und wir brauchen ein Taxi zum Einklarieren in die kleine Hauptstadt auf der anderen Seite der Insel (35 km Entfernung). Sollte eigentlich sehr einfach sein. Erstaunt sind wir darueber, dass die Eingeborenen Handys haben und man erzaehlt uns, dass Digicel in diesem Jahr Antennen aufgestellt hat und wir nehmen an, dass die alten Handys, die sie loshaben wollten, hier unter die Leute gebracht worden sind. Bringt auch Geld, sie muessen ja immer wieder aufgefuellt werden und das hier, wo die Armut sehr gross ist und es keine Steckdose gibt. Wir waren an Bord staendig mit dem Aufladen verschiedener Handys beschaeftigt. Es sieht schon makaber aus, wenn man die Eingeborenen mit Handys sieht!

Ein Bus-Taxi (Pick-up, Vierradantrieb) bringt uns in die Stadt. Fuer die 35 km (eine Richtung), brauchen wir ca. 2 Stunden. Um  7 Uhr in der Fruehe holen uns drei junge Eingeborene an der Bucht ab. Der Highway Nambawan ist ein einspuriger Waldweg, der aussieht, als wenn man eine Schneise mit einem Schneeschieber durch den Urwald geschoben hat. Links und rechts haengt das ueppige Gruen drueber. Nach einigen Kilometern wird die "Strasse" immer dunkler und die Vegetation hoert abrupt auf. Vor uns erstreckt sich kilometerweit eine schwarze Aschewueste und rechts sehen wir den spuckenden Vulkan das erste mal aus der Naehe. Gespenstisch. Nach der Asche wieder Urwald. Rechts und links werden kleine Doerfer passiert, deren Bewohner freundlich winken. Ab und an steigen welche auf die Ladeflaeche des Pickups zu.  Je naeher wir der Stadt kommen, um so mehr Menschen mit allen moeglichen Sachen auf dem Kopf, umgehaengt oder unter dem Arm laufen auf der Strasse. Wie Nebelmenschen, die ploetzlich auftauchen und wieder im Wald verschwinden. Ist solch ein Fussgaenger nicht schnell genug von der Strasse, kreischt das Voelkchen auf der Ladeflaeche vor Vergnuegen. Es steckt uns an und wir verhalten uns schon ebenso. Singend fahren wir in die Stadt hinein, die sich als sehr weitlaeufig erweist. Lauter kleine Strohhuetten reihen sich aneinander und vereinzelt gibt es ein paar Steinhaeuser, in denen sich die Bank, die Post und kleine Laeden befinden. Wir klarieren problemlos bei Zoll und Einwanderungsamt ein, nachdem ich 4 Kugelschreiber ueber den Tresen geschoben habe. Sie werden gehandelt wie Schmuck und die Augen der Beamten leuchten - muessen wir uns merken.

Heute ist gerade Freitag und Markttag. Es ist herrlich anzusehen, wie die bunt gekleideten Marktfrauen ihre Waren anbieten. Ich tausche Dollars ein gegen Vatu und kaufe nach Herzenslust Gemuese ein.  Es gibt keinen Geldautomaten. Wir lassen uns in der bunten Menge treiben. Einige der Eingeborenen sehen zum Fuerchten aus mit ihrem stechenden Blick. Mich beschleicht das erste Mal ein komisches Gefuehl. Die werden uns doch wohl nicht in den Kochtopf stecken oder lebendig im Erdofen garen!? Wo sind wir hier nur hingeraten? Haben wir eine Zeitreise ins Steinzeitalter gemacht? Unsere Taxi-Jungs warten derweil seelenruhig auf uns. "No problem!" Die Fahrt zurueck verlaeuft ebenso lustig und voellig kaputt kommen wir am Nachmittag mit frischem Gemuese und einem Huhn wieder auf TRUANT an. Unser Essen fuer die naechsten Tage ist gesichert. Wo wir dann was her bekommen, ist mir schleierhaft, aber wir werden sehen.

Am naechsten Tag geht es zu einem sehr traditionellen Dorf. Die Frauen sind bekleidet mit einem Bastrock, die Maenner tragen nur einen Peniskoecher. Ich dache, dass es sowas gar nicht mehr gibt. Aber auf dieser Insel ist eben alles stehengeblieben. Ein paar Maenner und Kinder tanzen fuer uns. Ich frage, ob sie eine Zigarette moechten. Natuerlich! Uli spendiert die Runde Feuer und einer haelt die Zigarette ans Feuerzeug. Uli: "Musst die Zigarette in den Mund nehmen." Er: "OK" und pustet. Wir amuesieren uns und er steckt die Zigarette hinters Ohr, weil er sie einfach nicht an kriegt und nicht rauchen kann.

Bei einer weiteren Wanderung lernen wir Jim und Tom kennen, die uns zu heissen Quellen (wirklich kochend heiss!) und einer Erdspalte fuehren. Die Unterhaltung geht nur mit Haenden und Fuessen, da wir ihre Dorfsprache nicht verstehen. Jim hat etwas englisch von seinen Eltern gelernt, kann aber weder lesen noch schreiben (hat aber ein Handy!!). Tom ist kaum in der Lage mit uns zu kommunizieren. Wir fragen wie alt sie sind; sie wissen es nicht. Jim erzaehlt , dass er  verheiratet ist und einen einjaehrigen Sohn hat. Am naechsten Tag besucht uns seine kleine Familie. Jim, seine Frau Anna und der kleine Sam, der mit Sicherheit mindestens 3 Jahre alt ist statt 1 Jahr. Mit einem selbstgefertigten Ausleger-Einbaum kommen sie angepaddelt und bringen sehr viele Fliegen mit. Sie riechen ein wenig oder ein wenig mehr. Wir bieten Kaffee, Cola und Saft an. Sie kennen sowas nicht, es schmeckt ihnen aber gaaanz lecker. Als ich Kekse reiche, wissen sie nicht, was sie tun sollen. Ich gebe jedem einen in die Hand. Lecker! Mit kleinen Geschenken und etwas Lebensmittel paddeln sie zurueck in ihr Dorf. Wir werden von ihnen eingeladen zum Essen. Ein Schwein soll dran glauben. Leider, oder zum Glueck muessen wir absagen, weil wir weiter wollen. Auch mit den Hygiene-Massstaeben hier haetten wir so unsere Probleme.

Und noch eine Episode. Das Enkelkind des Haeuptlings hat eine ganz entzuendete Wunde am Fuss. Schuhe hat hier niemand, ausser der Taxifahrer. Da es keinen Arzt gibt werden wir um Hilfe gebeten. Der kleine Ron bruellt wie am Spiess, als ich mir den Fuss ansehe. Der erste Griff in den Erste Hilfe Kasten war ein Lolly und damit habe ich gewonnen. Ich darf die Wunde reinigen, mit Jodsalbe versorgen und verbinden. Leider habe ich meine Schere vergessen um den Verband abzuschneiden, aber ein anderer kleiner Dreckspatz (vielleicht 2 Jahre alt) gibt mir sein scharfes Messer. Er war gerade dabei, einen der mitgebrachten Luftballons zu zerschneiden! Mama Miriam bekommt die Anweisung fuer die weitere Behandlung und die Salbe und den Verband. Strahlend zeigt Klein-Ron seinen Kumpeln den schneeweissen Fuss. Als Dankeschoen werden wir mit Gemuese und Obst versorgt.

Wir tragen heute eine Tasche voller Buntstifte, Bleistifte, Spitzer, Buntpapier und Schreibpapier zur Schule, weil wir wissen, dass an solchen Sachen immer Mangel herrscht. Jede Ecke der Schule wird als Dank stolz vorgezeigt. Die Kinder hoert man nicht; sie sind sowas von diszipliniert, unglaublich. Sie wollen lernen! Der Rektor, der uns fuehrt, sieht eher wie ein total Wilder aus, als wie ein Schullehrer. Seine Frau, die er uns in der spartanischen Huette vorstellt, ist noch einen Tick wilder. Sie haben ein neues Bauprojekt in Planung. Spontan spenden wir etwas. Es muss einfach belohnt werden, was die hier auf die Beine stellen aus dem Nichts. Am Beiboot warten bereits zwei Schuljungs, vielleicht 12 Jahre alt, auf uns. Sie wollen sich unterhalten, denn sie lernen gerade englisch. Ich habe noch zwei Tueten ausrangierte T-Shirts und Hosen bei mir und schenke sie ihnen. Die koennen es nicht glauben und freuen sich wie verrueckt. Am naechsten Tag, wir machen das Dinghi fest, passen sie uns wieder ab mit einem Geschenk. Lauchzwiebeln. "Fuer die schoenen Sachen." Traenen der Freude stehen ihnen in den Augen und ich bin geruehrt bis ins Mark. Wir haben uns danach oefter noch getroffen, sie mit Sweeties versorgt, die Adressen ausgetauscht und - natuerlich !! - die Handy-Nummern. Das war nicht so gut, denn sie rufen ab morgens 5.30 Uhr bis 22 Uhr bei uns an. Wir sind schon ganz verrueckt. 

Und nun das Highlight dieser Insel! Wir fahren mit zwei Guides und besagtem Taxi-Pickup zum Vulkan. An der Aschegrenze steigen wir aus und muessen noch ca. einen 1/2 km zu Fuss bis zum Kraterrand gehen. Bombastisch! Das Ding faucht und spuckt. Die Erde bebt und eine erneute Explosion schmeisst gluehende Lavabrocken durch die Luft. Wir zucken vor Schreck und schauen schon mal rueckwaerts nach moeglichen Fluchtwegen. Nirgendwo auf der Welt wuerde es erlaubt sein, sich so an den Kraterrand eines aktiven Vulkans zu stellen. Dann geht die Sonne unter und es wird noch schauriger. Jetzt geht das Feuerwerk so richtig los. Zwischen den Explosionen atmet und schnauft der Krater wie eine Dampflok. Danach heisst es im stockdunkeln mit der Taschenlampe einen Weg zurueck zum Auto suchen, wo unsere Fahrer warten. Die Gaensehaut will nicht weichen. Unterwegs begegnen uns immer wieder dunklen Gestalten, die ihren Weg mit Feuerzeug oder einem gluehenden Stueck Holz ausleuchten (wenn man es denn so nennen kann). Man sieht sie immer erst, wenn sie schon fast vorbei sind. Bei einem schwach beleuchteten roten Eimer mitten im Nichts halten wir an. Hier laeuft eine Kava-Party und unsere Jungs haben Lust drauf. Ich mit, obwohl sie fuer Frauen verboten ist. Im Dschungel hocken Maenner (die Anzahl ist nicht feststellbar, man kann die Hand vor Augen nicht sehen) trinken Kava und wispern. Uli trinkt seine Kokosnussschale leer und ich geniesse das gruselige Gefuehl dieser Situation. Bei der Dunkelheit koennen die Maenner mich als Frau sowieso nicht ausmachen. Irgendwann kommen wir in unserer Bucht an und muessen im stockdunkeln, es scheint nicht mal der Mond, noch durchs Riff. Alles geht gut und wir sind k.o.

Noch ein letztes Wort zu einer hauptsaechlich hier auf Tanna ansaessigen Sekte. Es ist die Jon Frum Bewegung, ein Cargo (=Fracht) Kult, der in den 30er Jahren entstand und durch das Eintreffen der US-amerikanischen Truppen mit einer nie gesehenen Fuelle an Reichtuemern (Konservendosen!)  besonderen Auftrieb erhielt. Die Anhaenger glauben, dass Jon Frum eines Tages aus den USA wieder auferstehen und erneut Wohlstand und Gesundheit bringen wird. Die Flagge des Cargo Kultes ist die des Roten Kreuzes, die die Soldaten damals mitfuehrte, und weht ueber einigen Doerfern. Die haben wir aber nicht mehr besucht, weil uns solche obskuren Religionen durchaus vergleichbar mit einigen christlichen Praktiken mittlerweile nerven.

Unsere Koepfe sind voll mit Tanna, aber leider hat alles mal ein Ende und wir muessen weiter. Die Wirbelsturmzeit sitzt uns im Nacken. In Port Vila, der Hauptstadt von Vanuatu, angekommen, sind wir verwirrt. Ein Land und doch  zwei Welten. Die Steinzeit in Tanna und hier die Neuzeit mit "Klein-Paris der Suedsee". Alles ist wieder zu haben und das vom Feinsten. Cafes, Restaurants und schoene Geschaefte. Um wieder in die heutige Welt einzutauchen werde ich noch Tage brauchen. 

Bis zum naechsten Mal ganz liebe Gruesse